Nachhaltig erfolgreiche Qualitätsentwicklung fängt im Kopf an
Während ich darüber nachdachte, wie ich Organisationen unterstützen könnte, die mich angefragt hatten, sie bei der Verschlankung ihres QM-Systems zu beraten, stolperte ich über einen Artikel in einem Gesundheitsmagazin mit der Überschrift „Erfolgreich Abnehmen fängt im Kopf an“.
Ist das beim QM nicht ganz genau so? Der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Nicht wenige Organisationen klagen über ein unüberschaubar gewordenes Maß an Regelungen, die alle irgendwann mit gut gemeinter Absicht erstellt worden sind. Die gut gemeinten Absichten stehen auch immer noch im Raum und werden zum Teil auch hartnäckig verteidigt. Aber gut gemeint heißt ja noch lange nicht auch gut gemacht. Oft haben die Regelungen nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt. Wer kennt z.B. nicht formvollendete Prozessbeschreibungen zum Fehlermanagement, die kaum einer anwendet und die in der Regel nicht zu einer verbesserten Fehlerkultur geführt haben. Ist es möglicherweise genauso schwer, den Ballast an wenig nutzenstiftenden Regelungen wieder los zu werden, wie das ein oder andere Pfund Genussspeck am eigenen Bauch?
Von den zahlreichen Ratschlägen, die das Gesundheitsmagazin für mich zum erfolgreichen Abnehmen bereithielt, wurden zwei ganz besonders hervorgehoben:
1. Weit verbreitete Ernährungsirrtümer entlarven
2. Persönliche Lebensregeln zum Thema Ernährung kritisch hinterfragen
Was mich zu der Frage brachte: „Gibt es solche hartnäckigen Mythen wie Fett macht fett oder neuerdings: Weizen macht dumm, auch im Qualitätsmanagement? Ja, es gibt eine ganze Menge davon. Diesen sind wir ja nicht zuletzt in unserem Denkraum für eine potentialorientierte Qualitätsentwicklung schon seit einiger Zeit auf der Spur. Dass Kennzahlen Klarheit und Objektivität liefern, ist z.B. so ein Mythos. Glauben Sie nicht? In der Rubrik: Stimmt das eigentlich? möchte ich Sie einladen, diesen Grundsatz zu hinterfragen.
Und wie ist es mit den persönlichen Lebensregeln zum Thema Ernährung? Also Überzeugungen wie Ohne Schokolade kann ich nicht leben oder Übergewicht liegt bei uns in der Familie. Gibt es sowas auch im QM? Auch diese Frage konnte ich sehr schnell und eindeutig mit Ja antworten: Wer kennt nicht den Satz Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser oder die Überzeugung das durch Regeln und Standards Beziehungen zwischen Menschen wirksam gesteuert werden können. Meine Gedanken dazu möchte ich Ihnen in den nächsten Blogbeiträgen gerne erläutern.
Was mir durch die Anregungen im Gesundheitsmagazin und dem vielleicht etwas gewagten Vergleich deutlich geworden ist: Wir können nicht gegen unsere Grundüberzeugungen handeln, sonst erleben wir den berühmt berüchtigten Jo-Jo-Effekt auch im QM: Mühselig hat sich die Organisation dazu durchgerungen, das QM-System um 20 Regeln zu erleichtern, während heimlich still und leise schon gleich 10 neue dazu gekommen sind. Unsere Grundannahmen sind tiefe innere Wahrheiten, die uns als Faustregeln helfen, durch den Alltag zu kommen. Sie haben ihre Wurzeln häufig im sozialen Umfeld (berufliche und familiäre Sozialisation) und wirken gerne im Unbewussten. Unsere Grundannahmen sind wichtig, um im Alltag entscheidungs- und handlungsfähig zu sein. Aber nicht alle Grundannahmen fördern unsere persönliche Entwicklung bzw. die von Teams und Organisationen. Nicht selten handelt es sich dabei um sehr starke Verallgemeinerungen, die inhaltlich auf wackeligen Füssen stehen, und die es lohnt, kritisch zu hinterfragen und ggf. neu zu fassen. Unser Gehirn strebt nach Kohärenz, d.h. nach Übereinstimmung zwischen Denken und Handeln. Wollen wir unser Verhalten verändern, so gelingt das nur, wenn wir uns mit unseren bewussten und unbewussten mentalen Modellen auseinandersetzen. Ansonsten werden wir immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Nachhaltig erfolgreiche QM-Entwicklung basiert daher nicht in erster Linie auf passenden Methoden und Instrumenten, sondern auf dem „richtigen“ Mindset.
Marcus Bierei
Vielleicht nehmen die QM-Systeme auch immer mehr zu, weil sich Organisationen, Verantwortliche und Mitarbeitende nicht ausreichend selbstbewusst gegen Forderungen von Auditoren positionieren und so Regelungen produzieren, um diese „gefühlten“ Forderungen zu erfüllen.