Ohne Kontrolle geht es nicht …?

Ohne Kontrolle geht es nicht …?

„Ohne Kontrolle geht es nicht“ schreibt Dr. Benedikt Sommerhoff von der Deutschen Gesellschaft für Qualität in seinem Blog „Anders auditieren“ vom April 2019 (). Gehard Wohland definiert Kontrolle in seinem Buch „Denkwerkzeuge für Höchstleister“ als „Messen im Kontext von Misstrauen“ und führt weiter aus, dass Steuerung und Kontrolle in Gegenwart hoher Dynamik und Komplexität eine Illusion seien. Rolf Dobelli setzt sich in seiner Veröffentlichung über „Die Kunst des klaren Denkens“ in gleichermaßen seriöser wie unterhaltsamer Weise mit Denkfehlern auseinander, die man besser anderen überlassen sollte. Einer davon ist die Kontrollillusion. „DieKontrollillusion“ erläutert er als die Tendenz zu glauben, dass wir etwas kontrollieren oder beeinflussen können, über das wir objektiv keine Macht haben. Er beschreibt sehr amüsant, wie Untersuchungen belegen, dass z.B. Placeboknöpfe an Klimaanlagen in Großraumbüros zu einem Rückgang an Reklamationen führen, allein nur deshalb, weil sie die Raumbenutzer glauben lassen, ihre eigene Situation ein klein wenig beeinflussen zu können.
Vielleicht kennen Sie das Gefühl, etwas zu lesen, das sofort auf innere Zustimmung stößt. Mir ging es so bei den Ausführungen von Wohland und Dobelli. Seitdem versuche ich in meinen QM-Seminaren und Workshops, die Teilnehmer immer wieder für Kontrollillusionen, von denen das klassische QM einige aufweist, zu sensibilisieren. Manchmal ist der Wunsch, alles im Griff zu haben, bei den Anwesenden so mächtig, dass jegliche Zweifel an der Kontrollierbarkeit des Arbeitsalltages abgestritten werden. Irgendwann habe ich dann in einer Veranstaltung als Beispiel die Lernprozesse meiner pubertierenden Kinder angeführt, die ich als Mutter wahnsinnig gerne kontrollieren und steuern würde, aber bei denen ich mir wohl immer wieder eingestehen muss, dass ich phasenweise zwar viel Wirbel betreibe und ich mich durchaus auch für die Ergebniskennzahlen interessiere, aber Steuerung und Kontrolle hier ganz sicher eine Illusion sind. Unter meiner Teilnehmerschaft waren viele Eltern …, es machte sich etwas Resignation breit, aber das Bewusstsein für Kontrollillusionen war geweckt.
Rolf Dobelli empfiehlt: Konzentrieren Sie sich auf die wenigen Dinge, die Sie wirklich beeinflussen können – und von denen konsequent nur auf die wichtigsten. Alles andere lassen Sie geschehen.
Dinge bzw. Prozesse, die wir im Arbeitsalltag kontrollieren können, sind vor allem linear-kausale Abläufe und einfache bzw. komplizierte Aufgaben (s.a. den vorherigen Blog-Beitrag in dieser Rubrik). Bei Zunahme der Komplexität müssen wir uns eingestehen, dass wir, was die Ausweitung der Kontrollmechanismen angeht, nicht selten in eine Illusion investieren.
Der Trainer einer Fussballmanschaft, dessen Aufgabe sicherlich auch von Nicht-Fans dieser Sportart als eine komplexe Angelegenheit eingestuft werden dürfte, kann im Vorfeld eines Spieles viel unternehmen, um die Mannschaft zu trainieren und zu motivieren. Ist das Spiel aber angepfiffen, hat er nur noch sehr begrenzte Einwirkungs- bzw. Kontrollmöglichkeiten.
Ohne überzeugte, kompetente und verantwortungsbewusste Spieler/Mitarbeiter geht es nicht. Also besser gleich in Rahmenbedingungen investieren, die Sinnerleben, Kompetenzentwicklung und Verantwortungsübernahme fördern und Kontrolle auf das wirklich Kontrollierbare reduzieren. Bzw. besser noch die Mitarbeiter zur Selbstkontrolle befähigen, denn wie von Wohland oben zitiert: „Kontrolle ist Messen im Kontext von Misstrauen.“ Während Vertrauen motiviert, macht Misstrauen Motivation kaputt und behindert die Übernahme von Verantwortung. Hier nochmal einen Einblick in meinen Familienalltag: Wir haben Meerschweinchen. Wenn ich zu Hause bin, wird der Stall in der Regel nur nach meiner Kontrolle und ausdrücklichen Aufforderung durch meine Kinder gesäubert. Wenn ich nach einer Dienstreise zurückkomme sind die Schweine von meinen Kindern durchaus versorgt worden. Sobald ich im Hause bin, verlassen sie sich aber weiterhin gerne auf meine regelmäßigen Erinnerungen – von denen ich allerdings auch nur schwer loslassen kann😉 .

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