Mitarbeitergespräch

Mitarbeitergespräch

Es wird nicht viele QM-Systeme ohne jährlich strukturierte Mitarbeitergespräche geben. In vielen Fällen werden diese Gespräche als das zentrale Instrument der Personalführung und Personalentwicklung gesehen. Dabei steht im Mittelpunkt dieser Gespräche insbesondere die Reflexion der geleisteten Arbeit / Feedback, das Entwicklungspotential und die Vereinbarung von Zielen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Hinzu kommen häufig Bewertungen, die unter Umständen Auswirkungen auf Karriere, Gehaltsverhandlungen oder zukünftige Zeugnisse haben können.

 

Wie ist Ihre Erfahrung mit Mitarbeitergesprächen?

 

Sind Sie in der Rolle eines Mitarbeiters? Freuen Sie sich auf das jährliche Feedback? Fühlen Sie sich in dem Gespräch gesehen und gehen Sie gestärkt und motiviert in den Arbeitsalltag?

 

Oder füllen Sie eine Führungsrolle aus? Fällt es Ihnen leicht Mitarbeiter in ihrem Verhalten zu bewerten? Haben Sie den Eindruck, damit wirklich etwas positives zu bewirken? Holen Sie Feedback von den Mitarbeitern zu ihrem Führungsverhalten ein und bekommen Sie eine ehrliche Rückmeldung?

 

Mein Eindruck ist, dass diese Gespräche sowohl von Führungskräften als auch von Mitarbeitern als lästig empfunden werden und häufig zu einer Pflichtübung verkommen?

 

Vielleicht, weil

  • diese Gespräche in einem hierarchischen System stattfinden und die Kommunikation nicht auf „Augenhöhe“ erfolgt?
    Mal ehrlich, glauben Sie das Mitarbeiter für ein Gespräch von 60 Minuten ausblenden können, dass sie ihrer Führungskraft gegenübersitzen, die über ihre weiteren beruflichen Möglichkeiten entscheidet?
  • der Kontext in dem der Mitarbeiter arbeitet, wenig Berücksichtigung findet?
    Art des Beschäftigungsverhältnisses, Sozialer Hintergrund, Erziehung, Charakter, Copingstrategien, …
  • die Systeme vorgegeben werden, die sicherlich Einfluss auf Leistung und Motivation haben, aber im Gespräch ausgeblendet werden?
    Sind die Faktoren – Aufgabe – Kompetenz – Verantwortung „gleichgeschaltet“ und entsprechen den Fähigkeiten des Mitarbeiters? Liegen starre Prozesse mit hoher Kontrollfunktion vor, die wenig Freiraum für kreative Lösungen bieten oder baut das System auf Vertrauen und Beteiligung?
  • die Gespräche in erster Linie dazu dienen, durch positives und/oder negatives Feedback Einfluss auf das Verhalten des Mitarbeiters zu nehmen.
  • Ziele vereinbart werden, dessen Erreichung der einzelne Mitarbeiter nicht alleine bewirken kann, weil er in einem System der Abhängigkeit von anderen arbeitet?
    Unsere Arbeitswelt hat einen Grad der Komplexität erreicht, indem ein Einzelner nur bedingt Einfluss auf das Ergebnis hat. Aus diesem Grund arbeiten wir in Organisationen, um die Ziele erreichen zu können. Selbst im Verkauf, indem klassisch Zielvereinbarungen sogar mit Bonuszahlungen verknüpft werden, ist der Verkäufer von den Faktoren Produktqualität, Produktion, Preis, Verfügbarkeit etc. abhängig.
    Im Bereich der personenbezogenen Dienstleistung ist das Ergebnis nur in Kooperation mit dem Kunden zu erreichen (Prosument).
  • persönliche und fachliche Weiterentwicklung vereinbart werden, die dann nicht zum Tragen kommen, weil sich die Organisation nicht entsprechend mitentwickelt?
    Mitarbeiter, die sich weitergebildet haben und neue Ansätze umsetzen wollen, werden vom QM-System und/oder ihrem Team ausgebremst. Prozesse müssen erst entsprechend in Strategiesitzungen, Gremien und Qualitätszirkeln, mit Risikoanalyse etc. angepasst werden, wenn Sie nicht schon den vielfältigen Einwänden und der Angst vor Veränderungen zum Opfer gefallen sind. So werden häufig Veränderungen in der Struktur bzw. im Leistungsangebot nicht nachhaltig umsetzt.

 

Warum also diese Gespräche noch führen?

 

Weil Mitarbeiter ihrerseits diese einfordern? Oder zeugt dies eigentlich vielmehr von dem Wunsch bzw. dem Bedürfnis wahrgenommen zu werden und Anerkennung zu erhalten?

 

Könnte dies nicht viel leichter, natürlicher und direkter im Arbeitsalltag passieren? Durch ein kurzes Feedback nach einer konkreten Herausforderung? Durch die Wahrnehmung von Bedürfnissen? Durch echtes Interesse an Positionen und Meinungen?

 

 

Ausgehend von dem Humanistischen Menschenbild, welches der Idee der Potentialorientierten Qualitätsentwicklung zugrunde liegt, ist der Mensch verantwortungsvoll, will sich beteiligen, etwas bewirken und sein Bestes geben.

 

Legt man zudem die Grundsätze der agilen Führung (vgl. Beitrag: „Müssen wir jetzt alle Agil werden?“) zu Grunde, ist davon auszugehen, dass Teams aus eigenem Antrieb gute Lösungen finden und die Entscheidungen dort treffen, wo diese umgesetzt werden. In diesem Rahmen, auf Basis von Vertrauen, werden Mitarbeiter ihre Potentiale entfalten und ihre Selbstwirksamkeit erleben.

 

Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen und die Frage stellen: „Sind Mitarbeitergespräche, wie sie oben beschrieben sind, nicht sogar respektlos (vgl. Beitrag: Respekt)?
Respektlos im Sinne der Reduzierung und Bündelung von Wahrnehmung auf ein einziges jährliches Gespräch. Respektlos im Sinne der auf die Führungskraft übertragenen Deutungshoheit. Respektlos im Sinne der häufig angestrebten Manipulation des Mitarbeiters hin auf die Ziele der Führungskraft.

 

Potentiale entfalten geht nur durch das Schaffen von Freiräumen. Ein erster Freiraum könnte entstehen, in dem wir uns von dem, aus meiner Sicht, häufig nutzlosen und nicht selten schädlichen Ritual der Mitarbeitergespräche lösen.
Mit der freiwerden Energie lässt sich bestimmt mehr bewegen (Wie viele Stunden, inklusive Vor- und Nachbereitung, wenden Sie im Jahr für diese Gespräche auf?).

 

Die belebten bzw. gelebten vier Flügel der Potentialorientierten Qualitätsentwicklung – Wertschätzung, Vertrauen, Beteiligung und Kompetenz können diese Mitarbeitergespräche überflüssig machen.

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