Wertschätzung: Anerkennung äußern und erfahren

Wertschätzung: Anerkennung äußern und erfahren

Impulse zur Auseinandersetzung mit den vier Flügelflächen des Schmetterlings (2)
Wertschätzung ist auch wieder so ein Wert, den alle toll finden und gegen den auf jeden Fall niemand etwas hat. Aber eine Umfrage unter Mitarbeitern mit folgenden Fragestellungen, würde vermutlich recht ernüchternd ausfallen:„Inwieweit fühlen Sie mit Ihrer individuellen Arbeit in Ihrer Organisation wertgeschätzt?“
„Inwieweit fühlen Sie sich als Person – mit Ihren Gedanken und Ideen – in Ihrer Organisation wertgeschätzt?“
Mangelnde Wertschätzung ist immer wieder ein Grund, warum Menschen Ihr Engagement zurückfahren, sich auf „Dienst nach Vorschrift“ drosseln oder sogar (innerlich) kündigen.
Aus meiner Sicht baut Wertschätzung auf zwei Stufen auf. Die erste Stufe ist die Wahrnehmung, und leider geht da oft schon ganz viel schief. Menschen, das können Mitarbeiter aber auch Empfänger sozialer Leistungen sein, fühlen sich mit ihren Anliegen und Bedürfnissen aber auch mit ihren Fähigkeiten und Talenten nicht gesehen. „Der hat mir überhaupt nicht zugehört!“ „Meine Meinung interessiert ja sowieso niemanden.“ „Die suchen nur Arbeitskräfte, aber keine Menschen.“…
Im Qualitätsmanagement sollten wir hier besonders kritisch sein. Mit guten Absichten werden Prozesse, Aufgaben und Rollen objektiv beschrieben und standardisiert. Wie jede Medaille hat aber auch diese Herangehensweise eine zweite Seite: Mitarbeiter fühlen sich entfremdet von der Arbeit, und Empfänger von Leistungen werden durch vordefinierte Prozesse geschleust, in denen sie sich zum Objekt degradiert fühlen. Sie finden ich übertreibe? Mag sein. Ich möchte dennoch das Bewusstsein für die Schattenseiten von Standardisierung schärfen: Ich denke z.B. an meinen eigenen Reha-Aufenthalt nach einer Hüft-OP. Der war so durchorganisiert, dass ich den Eindruck hatte, mir fehlt nur noch der Barcode auf der Stirn. Ich denke aber auch an den Einzug meiner Mutter ins Altenheim (in dem sie grundsätzlich sehr gut versorgt war und in dem sie den Umständen entsprechend noch eine sehr gute Zeit verlebt hat). Aber die Phase des Einzuges in diese Einrichtung war alles andere als durch ihre Bedürfnisse bzw. ihre noch vorhandenen Fähigkeiten geprägt. Im Vordergrund standen Vorschriften und ein sehr stark ausgeprägtes Sicherheitsdenken der Mitarbeiter. Wenn sie die Wahl gehabt hätte, so hätte sie die Einrichtung ganz schnell wieder verlassen. Der Aufenthalt war gut, die Zeit des Einzuges war phasenweise unwürdig. Gerald Hüther, einer der bekanntesten Hirnforscher in Deutschland, hat dem Würde-Begriff eines ganzes – auch für QM-ler – sehr empfehlenswertes Buch gewidmet. Er sagt, wer von anderen zum Objekt gemacht wird, fühlt sich in seiner Würde bedroht. Wer andere zum Gegenstand seiner eigenen Absichten, Ziele und Erwartungen macht, nimmt seine Mitmenschen nicht mehr als Individuen wahr und schätzt sie mit ihren unterschiedlichsten Facetten damit auch nicht wert. Wertschätzung kann nur gelingen, wenn ich zuvor den Menschen als solchen sehe und wahrnehme. Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Rahmenbedingungen in vielen Arbeitsfeldern des Gesundheits- und Sozialwesens eine Orientierung am Individuum und damit Wertschätzung nicht gerade fördern. Hier ist es wichtig, als Organisation oder Team eine eigene Position zu finden und Logiken, die ggf. von außen in ein System hereingedrückt werden, nicht vorbehaltlos zu übernehmen. Was das Schöne ist: Wertschätzung kostet in aller Regel nichts. Wertschätzung hat erstmal nichts mit Entlohnung zu tun. Wertschätzung bedeutet, aufmerksam und achtsam zu sein. Und das kann man lernen … auch im Qualitätsmanagement. Vor allem wenn wir uns bewusst machen, welch ungeheuer positive Kraft erlebte Wertschätzung freisetzen kann.
Diese vier Blogbeiträge zu den Stichworten Vertrauen, Wertschätzung, Beteiligung und Kompetenz sollen ja die Grundsätze in den Flügelflächen des Schmetterlings näher erläutern, den wir der Potentialorientierten Qualitätsentwicklung als Metapher zu Grunde gelegt haben. Das Impuls- und das Arbeitsplakat (siehe auch Blogbeitrag vom …. und Download) möchte Sie einladen, nicht nur über etwas zu reflektieren („Durch Leitung erfahre ich keine Wertschätzung.“), sondern immer auch sich selbst in die Reflexion einzubeziehen: „Wie bin ich denn in Sachen Wertschätzung unterwegs? Wann habe ich zuletzt Wertschätzung geäußert und wie häufig tue ich dies üblicherweise …“. Kulturentwicklung können wir nur gemeinsam bewirken und Wertschätzung ist mit Sicherheit ein zentraler Dreh- und Angelpunkt für Potentialentfaltung, organisationale Lernprozesse und damit nicht zuletzt Qualitätsentwicklung.

4 Kommentare
  • Thomas Kretzschmar
    Antworten

    Wertschätzung im Qualitätsmanagement, vor allem bei sozialen Unternehmen kann nur bedeuten, dass Abläufe und Vorgaben nur unter Beteiligung aller in das System eingebundenen Personen erarbeitet werden können. Pädagogisches Handeln und Wertschätzung kann nicht strukturiert werden. Wir können mit einem QMS nur die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen Wertschätzend arbeiten zu können. Also lassen Sie uns die Menschen an unserem QMS beteiligen, die internen Kennzahlen, angepasst an die Gegebenheiten gemeinsam erstellen und die Mitarbeitendengespräche in dieser Haltung führen. Wenn uns dies gelingt wird auch QM von den Menschen als Arbeitshilfe verstanden.

    1. August 2019 at 10:09
      • Thomas Kretzschmar
        Antworten

        Guten Morgen Frau Trubel,
        die Wertschätzung bei den QM-Aktivitäten in meinem Umfeld erlebe ich so vielfältig wie mein berufliches Umfeld. Es steht und fällt immer mit den handelnden Personen.
        Ansätze für mehr Wertschätzung wären:
        Beseitigen Sie alles, was Ihre Mitarbeiter daran hindert, stolz auf ihre Arbeit zu sein.
        Kommunizieren Sie Ihre Prozesse und schaffen Sie so bei allen Interesse an und Vertrauen in Ihre Kita (Unternehmen)
        W. Edward Deming

        Da haben wir die Ansatzpunkte schon aus dem Beginn der QM-Entwicklung. Alles andere ist Personenbezogen. Vielleicht sollte vor beginn eines QM-Prozesses mit allen Führungskräften über Ängste vor Kontrollverlust, notwendige oder überflüssige Kontrolle sowie Delegation von Aufgaben gesprochen werden. Da Wissen immer noch für viele Menschen Macht bedeutet wäre es Sinnvoll Führungskräfte und Mitarbeitenden die Ängste vor diesem nur scheinbaren Machtverlust zu nehmen und neue Anreizsysteme zu schaffen.
        Viele Grüße
        Thomas Kretzschmar

        5. August 2019 at 9:48

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