Normenkonformität und Potentialorientierung – wie geht das zusammen?

Normenkonformität und Potentialorientierung – wie geht das zusammen?

Ich habe ja bislang nicht unbedingt gespart an Kritik am traditionellen, häufig ISO basierten QM. Heute möchte ich das mal ein bißchen geraderücken. Ich finde die Themen, die die ISO 9001 aufstellt, enthalten im Wesentlichen sinnvolle Aufgabenstellungen bzw. Herausforderungen für Organisationen:

  • Eine Auseinandersetzung mit dem Kontext und den Interessierten Parteien –
    schafft Klarheit und ermöglicht vorausschauendes Handeln.
  • Die Identifikation der zentralen Prozesse ist die Grundlage für eine konsequente Ausrichtung
    an den Bedürfnissen der Kunden*innen
  • Eine Qualitätspolitik ermöglicht ein klares inhaltliches Fundament für die Ausrichtung des QMS.
  • Durch Qualitätsziele kann Motivation entstehen und Energie gebündelt werden.
  • Chancen und Risiken abwägen hilft Fehler zu vermeiden und kann neue Entwicklungen bahnen.
  • Die Reflexion des organisationsinternen Wissens und damit des Informationsflusses ist ein wichtiger Baustein für eine zuverlässige Leistungserbringung.
  • Audits schaffen einen hervorragenden Dialograum zur Reflexion der eigenen Arbeit, der internen und externen Vorgaben und deren Umsetzung.
  • Ohne eine Auseinandersetzung mit der Fehlerkultur können keine erfolgreichen organisationsinternen Lernprozesse etabliert werden.
  • Faktengestütze Entscheidungen sind grundsätzlich richtig – wäre es nicht blödsinnig, die Fakten zu ignorieren?

Also die Themen der ISO 9001 sind größtenteils völlig unproblematisch bzw. sogar sehr hilfreich. Kritik übe ich an der mechanisch-technischen Denke, mit der die ISO häufig interpretiert, umgesetzt und auditiert wird. Damit mache ich niemandem einen Vorwurf. Zum einen ist dies die Denke, aus der die ISO heraus entstanden ist und die im Zeitalter der Industrialisierung viele Fortschritte ermöglicht hat, zum anderen habe ich mich selbst davon viele Jahre leiten lassen. Vor allem die Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen der systemischen Organisationsentwicklung haben mich „wachgerüttelt“ und meine immerwährende Frage beantwortet, warum sich viele Mitarbeiter und auch Führungskräfte mit QM so schwertun. Die gedanklichen Wurzeln eines ISO gestützten QM-Systems sind nirgends definiert. Wenn ich versuche, diesem Blinden Fleck etwas näher zu rücken, würde ich u.a. Folgende aus meiner Sicht problematische Grundüberzeugungen ausmachen.

  • Eine beharrliche Konzentration auf ein linear-kausales Weltbild, welches nicht selten zu einer unangemessenen und wenig erfolgreichen Reduzierung von komplexen Sachverhalten führt (s. auch Blogbeitrag vom 30.05.19).
  • Der Glaube an die Beherrschbarkeit von Komplexität durch Planung und Kontrolle (s. auch Blogbeitrag vom 14.06.19).
  • Eine Überbewertung von Regeln und Standards, die immer aus den Erfahrungen der Vergangenheit erwachsen sind und damit aber unmöglich die dynamischen Erfordernisse der Gegenwart und Zukunft aufgreifen
  • Eine Überbewertung von Planungsaufgaben ausgehend von dem Glauben an eine Vorhersehbarkeit der Zukunft.
  • Ein defizitäres Bild von Menschen, Teams und Organisationen durch eine unablässige Konzentration auf Verbesserungspotentiale.
  • Ein objektgeprägtes Bild vom Menschen, das dessen Bedürfnisse nach Individualität und Emotionalität zu Gunsten standardisierbarer Prozesse ignoriert (s. auch Blogbeitrag vom 01.08.19).
  • Eine negative Sicht auf Abweichungen, Fehler und Beschwerden.
  • Der Glaube an eine objektive Bewertbarkeit von Sachverhalten (s. auch Blogbeitrag vom 15.05.19).
  • Die Arbeit mit fixen Zielvorgaben und der Überzeugung, dass durch kluge Interventionen nahezu jedes Ziel erreicht werden kann verbunden mit der Konsequenz, dass alle Beteiligten unter einem immensen Rechtfertigungsdruck geraten (s. auch Blogbeitrag vom 19.09.19) .
  • Der Grundsatz der faktengestützen Entscheidungsfindung, der fast immer zu einer faktenreduzierten Entscheidungsfindung mutiert, gemäß der dann intuitive und emotionale Aspekte ignoriert oder zumindest abgewertet werden.

Auch wenn dies meines Erachtens die Wurzeln der ISO sind, heißt das nicht, dass die ISO mit der gleichen Denke umgesetzt werden muss, mit der Sie erschaffen wurde. In dieser Rubrik möchte ich Ihnen zukünftig Ideen und Anregungen für eine potentialorientierte und damit womöglich nachhaltig erfolgreichere Arbeit mit den zentralen Themen der ISO 9001 geben.

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