Denk-Fehler? Wo gibt‘s denn sowas?

Denk-Fehler? Wo gibt‘s denn sowas?

Ich kenne nicht wenige Organisationen, die sich an der Frage aufreiben, was denn nun ein Fehler bzw. vor allem ein erfassungswürdiger Fehler ist.
Ich halte die Frage für falsch, weil sie letzten Endes den Umgang mit Fehlern zu einem bürokratischen Akt macht. Sinnvoller finde ich die Frage, aus welchen Ereignissen und Vorfällen können wir lernen und vor allem Wie? Ein „Fehlermanagement“ im Sinne der ISO konzentriert sich häufig auf „unerwünschte“ Ereignisse aus dem operativen Tagesgeschäft (Termin vergessen, falsche Materialbestellung, Information nicht weitergebeben, …). Das ist sicherlich auch sinnvoll. Aber was ist eigentlich mit Denkfehlern? Und vor allem was sind Denkfehler? Rolf Dobelli hat in seinem wunderbaren Buch die Kunst des klaren Denkens, 52 Denkfehler beschrieben, die Sie besser anderen überlassen sollten. Ich habe mal eine kleine Auswahl zusammengestellt, deren Reflexion ich auch im Qualitätsmanagement als sehr sehr sinnvoll erachten würde.

Fehler auf Grund „versunkener“ Kosten (Sunk cost fallacy): Der Fehler besteht in der Tendenz, einmal angefangene Projekte auch zu Ende zu bringen zu wollen. Koste es was es wolle. Wir streben nach Konsistenz und Glaubwürdigkeit. Entscheiden wir uns, ein bis dahin erfolgloses Projekt, für das wir uns selbst stark gemacht haben, in der Mitte abzubrechen, generieren wir einen Widerspruch. Die Weiterführung dieses zweifelhaften Vorhabens zögert dies unangenehme Realisierung hinaus.

Fehler aus Verpflichtung/Dankbarkeit (Gesetz der Reziprozität): Reziprozität bedeutet Gegenseitigkeit und stellt ein menschliches Grundprinzip dar. Fehler passieren, wenn unterschwellige Verpflichtungen zu irrationalem Handeln führen. Also sowohl Ihr Verstand als auch Ihr Gefühl halten den Vorschlag eines Kollegen für unsinnig. Weil er sie aber beim letzten Mal so gut unterstützt hat, stimmen Sie auch seinem Vorhaben zu.

Bestätigungsfehler (Conformation bias): Der Fehler besteht in der Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass die eigenen Erwartungen bestätigt werden. Sie haben in einer Fortbildung ein neues Beratungskonzept kennengelernt, dass Sie total begeistert. Sie wenden es gleich aktiv an und ordnen alle Erfolge der nächsten Monate diesem neuen Ansatz zu. Gegenteilige Indizien ignorieren Sie oder tun sie als unvorhersehbare Schwierigkeiten ab.

Fehler durch Autoritätsgläubigkeit (Authority bias): Ihr Chef/Ihre Chefin trifft eine Entscheidung, die aus Sicht des Teams absehbar in die Irre führt. Aber keiner traut sich in den Widerstand zu gehen. Oder Sie folgen relativ kritiklos der Meinung eines vermeintlichen Fachexperten, nur weil dieser als Koryphäe gilt, einen Doktortitel hat oder einfach nur eine überzeugende und resolute Ausstrahlung.

Fehler auf Grund von Informationsverfügbarkeit (Availability bias): Der Fehler besteht in der falschen Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten. Unser Hirn denkt dramatisch nicht quantitativ. Das Spektakuläre, Grelle, Laute ist dem Hirn verfügbarer als das Gegenteil. In der Folge überschätzen wir systematisch Informationen, die für uns schnell verfügbar sind. Dies betrifft z.B. die Wahrscheinlichkeit von Flugzeugabstürzen im Vergleich zu Haushaltsunfällen.

Der Regression zur Mitte Irrtum: Derartige Fehler entstehen, wenn illusorische Kausalzusammenhänge konstruiert werden, während der Einfluss des Zufalls missachtet wird. Uns geht es schlecht, wir gehen zum Arzt, uns geht es wieder besser. Sehr schön natürlich! Aber hat uns der Arzt geheilt? Oder wären wir auch ohne ihn auf dem Weg der Besserung? Schmerzen und Wohlbefinden, Höhen und Tiefen, Glück und Pech wechseln einander ab. Dies geschieht oft ohne gezielte Interventionen. Nicht wenige Ereignisse pendeln um einen Mittelwert. Fehler entstehen, wenn wir Ursache-Wirkungs-Gefüge sehen, wo gar keine sind aber dennoch Empfehlungen für die Zukunft daraus ableiten.

Wir können aus Denkfehlern unglaublich viel Lernen. Ich finde das Buch von Dobelli sollte zur Pflichtlektüre für jeden QM-ler werden, nicht zu letzt weil es sehr amüsant zu lesen ist. Die ein oder andere Selbsterkenntnis ist inbegriffen. Und Marketing-Experten sind uns in dieser Hinsicht meilenweit voraus! Sie beherrschen die gesamte Klaviatur von Denkfehlern und verführen uns fortlaufend zu Entscheidungen, deren Nutzen für den Kunden der Marketingagentur um ein Vielfaches höher liegt als für uns Endverbraucher. Also in Zukunft aufgepasst 😊!

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