Fehler machen und scheitern dürfen … und das Ziel um 7 Kilo verfehlen

Fehler machen und scheitern dürfen … und das Ziel um 7 Kilo verfehlen

Vor uns liegt ein neues Jahr, für weitblickende Menschen gleich ein ganzes neues Jahrzehnt.
Zeit für gute Vorsätze oder neue Qualitätsziele. Auf einem Neujahrsgruß, den ich erhalten habe stand folgender Spruch:
„Ich brauche keine guten Vorsätze für 2020 – ich nehme einfach die vom letzten Jahr – die sind noch wie neu!“.
Als Privatperson schmunzeln Sie vielleicht, als QM-ler*in würden Sie möglicherweise angesichts der Fragen im nächsten Audit bei einer solchen Argumentation die „Krise“ kriegen. Aber ist der Satz wirklich so frevelig? Ist es ein Zeichen von Schwäche und mangelnder Durchsetzungskraft, noch an den gleichen Zielen zu arbeiten wie im Jahr zuvor? Über einen flexibleren Umgang mit Zielen habe ich bereits in meinem Blogartikel vom 19.09.2019 geschrieben.
Persönlich hat mich übrigens besonders der Spruch in der Praxis meiner Frauenärztin angesprochen:
„Eigentlich wollte ich 5 Kilo abnehmen, jetzt sind es noch 7.“
Wir meinen häufig, mit dem Wissen der Vergangenheit die Zukunft planen zu können. Jeder von uns hat aber nur das Wissen der Vergangenheit bis zum heutigen Tag, trotzdem meinen wir, kleinschrittig die Zukunft vorausdenken und steuern zu können. Im günstigsten Fall wundern wir uns, wenn das mal wieder nicht klappt. Im schlechtesten Fall machen wir uns dafür fertig. Wir sind enttäuscht über uns oder andere oder schlimmer noch, wir spüren die Enttäuschung von anderen über uns.
Wir alle sollten Ziele und Visionen haben, die uns antreiben. Je mehr es uns gelingt, diese mit Spaß und Freude zu verknüpfen, desto leichter werden wir sie erreichen. Wir Menschen verfügen über unendlich viele Potentiale, wenn wir auf die Welt kommen. ALLE Menschen verfügen von Geburt an über unerschöpfliche Begabungen. Durch unsere Sozialisationserfahrungen werden wir dann vorbereitet auf die echte, die reale (Arbeits-)Welt. Ich habe noch nie ein Kleinkind erlebt, das sich nicht entwickeln will, das nicht Dinge selber machen will. Ich kenne aber viele Führungskräfte, die ihren Mitarbeiter*innen mangelnde Entwicklungsbereitschaft unterstellen. Und ich kenne viele Menschen, die bewusst oder unbewusst glauben, nicht gut genug zu sein, weil sie ihre eigenen oder die an sie gestellten Ziele nicht erreichen. Das Leben beginnt mit einem Zufall und nicht mit einem Plan, oder haben Sie sich ihre Eltern ausgesucht? Und unendlich viel mehr im Leben basiert auf zufälligen Ereignissen, deren Chancen Sie möglicherweise gut genutzt haben. Der erste Job, die besten Freund*innen, der Lebenspartner/die Lebenspartnerin, ein neues Hobby oder haben Sie all diese Dinge akribisch geplant? Wussten Sie als Jugendliche wo Sie heute stehen?
„Leben ist das, was passiert, während wir eifrig dabei sind, andere Pläne zu machen“ so wird John Lennon zitiert.
Wir wissen, dass das stimmt – auch QMler*innen wissen das. Aber wir handeln nicht so. Wir ALLE habe die grundlegende Fähigkeit, mit den Unabwägbarkeiten des Lebens umzugehen, wir haben aber das Vertrauen in diese Kompetenz oft verloren. Wir streben nach Sicherheit, Steuerbarkeit und Kontrolle – auch da, wo diese absolut unmöglich ist. Sollten wir anstelle der Perfektion dieses Systems (s. auch Blogbeiträge vom 14.06.19 oder vom 14.07.19) uns nicht besser rückbesinnen auf die elementare menschliche Fähigkeit, die „Bälle des Lebens zu jonglieren“ im Hier und Jetzt und ohne Plan?
Was wir dafür brauchen ist Experimentierfreude verbunden mit Fehlerfreundlichkeit, die Bereitschaft, Bestehendes zu hinterfragen und Lust am Lernen. Schön ist, dass wir alle diese Fähigkeiten mit ins Leben gebracht haben – oder wie haben Sie Laufen gelernt? Haben Sie sich oder haben Ihre Eltern für Sie als Sie 9, 10 oder 11 Monate waren dafür einen Plan gemacht? Laufenlernen ist eine hochkomplexe Fähigkeit. Wir lernen durch unsere Umgebung, durch Beobachtung und durch Vorbilder. Zum Laufenlernen gehört es hinzufallen, unzählige Male und niemals verliert ein Kind die Motivation, die Lust und die Freude, weiter zu üben. Kleinkinder wissen gar nicht, dass sie Fehler machen. Und Eltern konfrontieren sie auch nicht permanent damit, im Gegenteil: sie bejubeln den kleinsten Erfolg und trösten bei kleineren Fehlschlägen. Wir tragen alle immer noch diese Experimentierfreude, Fehlerfreundlichkeit und Lernfreude in uns. Wir sollten Fehler und Erfahrungen des Scheiterns als normalen Bestandteil menschlichen Lebens akzeptieren und uns auf unsere grundlegenden Fähigkeiten im Umgang damit zurückbesinnen. Jeder einzelne und gemeinsam im Team. Experimentierfreude, die Bereitschaft zum Hinterfragen und Lernlust sind nicht nur die Fähigkeiten, die uns als Menschen wachsen lassen, sie sind auch zentrale Wegbereiter für Qualität. Der Glaube an unser eigenes Potential, macht uns stark, tatkräftig und erfolgreich. Ich wünsche mir für 2020, dass wir uns selbst und untereinander in dieser Hinsicht mehr unterstützen. Und dann geht es um das Finden und Verfolgen tragfähiger Visionen und nicht um kleinkarierte Ziel-Bilanzierungen. Bezogen auf meinen „Lieblingsspruch“ von oben heißt dies: Mit 7 Kilo wurde das Ziel verfehlt, aber eine Menge mehr gewonnen, ermöglicht und genossen … wer wagt zu bewerten, dass es das nicht wert war?
Zu diesem Blogbeitrag hat mich übrigens folgendes Video inspiriert:https://www.youtube.com/watch?v=-7IoWRoxoVg

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