Fragwürdige Fragen im Audit
Leitgedanke 3:
Auditgespräche gelingen, wenn Auditoren sich über die Wirkung von Fragen bewusst sind und wenn sie über die Kompetenz verfügen, diese passend zu modulieren.
Fragen sind das stärkste Werkzeug von Auditoren. Aber wie im Handwerk ist nicht jedes Werkzeug für jede Aufgabenstellung geeignet, und wenn Werkzeuge achtlos „durch die Gegend geschleudert“ werden, besteht Unfallgefahr.
Das Hauptproblem besteht meines Erachtens darin, dass wir Fragen, die mit einer positiven Intention gestellt werden, auch eine positive Wirkung unterstellen. Aber ist das auch wirklich so? Insbesondere Fragen im Kontext eines Auditgespräches sind eine sensible Sache. Es geht mir heute nicht um manipulative Fragen und auch nicht um die berühmten Fettnäpfchen, in die man unbeabsichtigt mit einer scheinbar harmlosen Frage hinein geschlittert ist. Vielmehr möchte ich zum Einen auf eine gut gemeinte, aber dennoch kritische Haltung hinter einem Frage-Repertoire aufmerksam machen und zum Anderen möchte ich das Bewusstsein für die Wirkung von Fragen schärfen.
Als ich vor 25 Jahren mein Handwerkszeug zum Auditor gelernt habe, habe ich vermittelt bekommen, dass offene W-Fragen gut und suggestive sowie geschlossene Fragen zu vermeiden sind. In meiner QB-Laufbahn hieß es, ich solle mindestens 7x nach dem Warum fragen, um zum wirklichen Kern der Ursache vorzudringen und irgendwann wurde dann auch betont, dass es wichtig ist, Auditgespräche auf Augenhöhe durchzuführen.
- Aber geht das eigentlich? Auditgespräche auf Augenhöhe führen, wenn die Auditteilnehmer doch mehr oder weniger zur Antwort gedrängt werden und am Ende doch nur der Auditor bewertet?
- Sind offene Fragen im Audit eigentlich wirklich offen? Provoziert nicht jede Auditfrage eine bestimmte Antwort insbesondere im Kontext einer Prüfung?
- Können Fragen neutral sein? Wirft eine Frage nicht automatisch ein Scheinwerfer-Licht auf einen bestimmten Fokus und lässt dabei Anderes unbeleuchtet?
- Führen Fragen nach dem „Warum“ wirklich zu einem besseren Verstehen? Lösen Sie nicht eher die Rechtfertigungsfalle aus und führen zur schnellen Konstruktion von vermeintlich linear-kausalen Zusammenhängen, obwohl die Realität eigentlich vielschichtiger ist?
Vielleicht sind das jetzt unangenehme Fragen. Fragen, die zum Nachdenken anregen und ggf. neue Erkenntnisse ermöglichen. Ich kann Ihnen diese Fragen auf Augenhöhe stellen, weil Sie nicht zur Antwort verpflichtet sind und weil ich mich mit Ihnen gemeinsam auf die Suche nach Antworten machen möchte. Ich habe vielleicht zu Einigen bereits einzelne Puzzleteile für mich gefunden, aber ich bin ehrlich interessiert und suchend. Ich mag es, mit diesen Fragen zu experimentieren und zu spielen. Aber wie ist das im Audit? Stellen Sie sich mal folgende Situation vor:
Auditor: „Welche Aspekte sind ihnen im Leitbild besonders wichtig?“
Auditteilnehmer: Überlegt erstmal, was möchte der Auditor wohl wissen? Worauf will er hinaus? Eigentlich gibt es gerade im Team recht unterschiedliche Auslegungen des Leitbildes insbesondere im Hinblick auf die Kunden, die „angeblich“ im Mittelpunkt stehen, aber das sagt er natürlich nicht. Er sagt etwas Unverfängliches und ist dann unsicher, ob er die richtige Antwort gegeben hat. Wahrscheinlich hätte er diese Frage beim Abendessen in der Familie komplett anders beantwortet.
Der Auditor ist zufrieden, macht einen Haken an seine Frage und stellt die nächste. Daraus kann sich schnell ein Spiel entwickeln, in dem überspitzt formuliert der Befragte zum Stichwortgeber degradiert wird. Neue Erkenntnisse und Motivation für Entwicklung werden so nicht freigesetzt.
In den ersten beiden Leitgedanken habe ich versucht, den Wert des Audits und die Quelle für gelingende Veränderungen zu identifizieren. Heute geht es mir darum, das Bewusstsein für die Wirkung von Fragen im Kontext Audit zu schärfen. Im nächsten Beitrag möchte ich Ihnen ein paar Beispiele für gute Auditfragen vorschlagen.