Selbst- oder Fremdsteuerung – worauf sollten Auditoren setzen?

Selbst- oder Fremdsteuerung – worauf sollten Auditoren setzen?

Möglicherweise sind Sie beim Lesen dieser Überschrift kritisch gestimmt. Oh je, da kommt wieder eine Idealistin um die Ecke, die vom Guten im Menschen überzeugt ist, aber keine Erfahrung vom echten Leben hat: „Wenn man den Leuten nicht genau sagt, was Sie tun sollen, dann tun sie es auch nicht!“ Allerdings würden Sie vermutlich diesen Blog nicht lesen, wenn Sie so denken würden. Andererseits ist das mit den eigenen Glaubenssätzen ja auch immer so eine Sache … . Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es für das ökologische Gleichwicht und für vieles mehr wichtig ist, dass wir in den Industrieländern weniger Güter konsumieren. Trotzdem habe ich mir mit Freude (und selbstverständlich ohne jede Not) erst vor kurzem wieder ein paar neue Schuhe bestellt. Ich glaube so geht es uns mit einigen Prinzipien, die wir grundsätzlich überzeugt bejahen, denen wir aber im Alltag nur bedingt folgen.
Insbesondere im QM sehe ich diese Diskrepanz häufig. Wenn ich mit QM-Verantwortlichen spreche, würden vermutlich alle durch die Bank Fremdsteuerung als Erfolgsrezept ablehnen. Wenn man aber auf die QM-Systeme in Organisationen schaut, stellt man schnell fest, dass diese zum Teil von Instrumenten der Fremdsteuerung nur so strotzen. Obwohl uns allen irgendwie klar ist, dass Fremdsteuerung Motivation kaputt macht, glauben Unzählige daran, nur so ihren „Laden“ in den Griff zu bekommen. Aktivitäten der Zentralisierung und Standardisierung werden grundsätzlich mit positiven Attributen der Ressourcensparsamkeit versehen, ohne den häufig immensen Preis dagegen zurechnen, der in Form von verringertem Engagement („Meine Ideen interessieren keinen.“), nachlassendem Verantwortungsbewusstsein („Ist laut Verantwortungsmatrix nicht mein Job.“), mangelnder Identifikation („Ist doch deren ‚Bier‘.“) etc. dafür zu zahlen ist.
Und da macht das Audit keine Ausnahme. Das klassische Auditverständnis im Sinne einer Eignungsprüfung durch unabhängige Dritte baut auf den Grundsätzen auf, dass Auditierte gegenüber den eigenen Schwachstellen blind sind und dass sie diese aus eigenem Antrieb nicht konsequent beheben werden. Wenn ich es ganz scharf formulieren würde, könnte ich auch von einem Akt der Erniedrigung sprechen – selbstverständlich mit bester Absicht „eingetütet“. Nach außen proklamiert wird ein QM-Verständnis, das auf die Kompetenz, die Verantwortungsbereitschaft und das Engagement der Mitarbeiter setzt. Innerhalb des Systems erleben die Mitarbeiter durch institutionalisierte Instrumente der Fremdsteuerung aber häufig das Gegenteil und verhalten sich entsprechend. D.h. weniger verantwortungsbewusst und engagiert, womit sich die zuvor getätigten Prophezeiungen ja dann wieder bestätigen würden. Ein ungünstiger Kreislauf der Doppelmoral, zumal auf der organisationalen Ebene das Prinzip der Fremdsteuerung schlicht und ergreifend realitätsfern ist. Soziale Systeme wie Organisationen und Teams sind keine Maschinen, die kausalen Wenn-Dann-Regeln gehorchen und durch äußere Reize (hier Verbesserungsvorschläge von Auditoren) zielgerichtet gesteuert werden können. Organisationen und Teams entwickeln sich ganz natürlich evolutionär immer weiter in Richtung optimaler Problemlösungen – soweit man sie dafür befähigt und ermächtigt. Die Auditierten vor Ort wissen meistens ganz genau, wo der Schuh drückt und wenn man ihnen geeignete Reflexionsräume eröffnet und sie mit den erforderlichen Handlungskompetenzen ausstattet, dann werden sie diese Erfordernisse auch angehen.
„Menschen lassen sich viel eher durch Argumente überzeugen, die sie selbst entdecken, als solche, auf die anderen kommen“, Blaise Pascal. Der Job eines Auditors, der mit seiner Arbeit einen wirksamen Beitrag zu nachhaltig erfolgreicher Weiterentwicklung stiften möchte, ist es, vor allem durch gute Fragen neue Erkenntnisse zu ermöglichen. Erkenntnisse zu aktuellen Problemen, Herausforderungen und zu deren vielschichtigen Wirkfaktoren. Und dann sollte er bzw. sollten diejenigen, die das Audit beauftragt haben, darauf vertrauen, dass die Beteiligten, diese Themen auch angehen werden – vorausgesetzt, sie sind mit den erforderlichen Ressourcen, Kompetenzen und Befugnissen ausgestattet. In so verstandenen Audits geht es nicht um Fehlersuche, sondern einzig und allein um Erkenntnisgewinn.
Und wenn dann doch mal das Misstrauen im Raum steht, dann sollte dieses Misstrauen direkt und anlassbezogen durch die verantwortlichen Führungskräfte thematisiert werden. In keinem Fall sollte das Instrument Audit für verdeckte Ermittlungen und Steuerungsillusionen von Führungskräften missbraucht werden. Gerhard Wohland sagt: „Kontrolle ist Messen im Kontext von Misstrauen“. Selbstkontrollen oder selbstinitiierte Fremdkontrollen sind dagegen zur Rückversicherung und zur eigenen Absicherung gute Hilfestellungen für qualitativ wertvolle Arbeit. In jedem Fall ist es lohnend auch in die selbstreflexiven Fähigkeiten aller Beteiligten zu investieren. Ein potentialorientiertes Auditgespräch kann einen hervorragenden Beitrag dazu leisten. Wenn ich in Organisationen unterwegs bin, sehe ich überall intelligente, motivierte und vertrauenswürdige Menschen mit Lust an Leistung. Ja, natürlich gibt es auch Reibungsverluste und Konflikte. Aber diese lassen sich nicht durch externe Ratschläge lösen, sondern durch Dialogformate, die von der Qualität des Zuhörens geprägt sind. Zuhören, Sie erinnern sich? Genau: Audire > lateinisch = hören.

Leitgedanke 8: Das Audit schafft einen Reflexionsraum, der dann nachhaltig erfolgreich ist, wenn er auf den Prinzipien der Selbststeuerung und Selbstverantwortung aufbaut.

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