Die Grundsätze der ISO 9001 potentialorientiert weiter gedacht Teil 1: Was bringt das?

Die Grundsätze der ISO 9001 potentialorientiert weiter gedacht Teil 1: Was bringt das?

Ich möchte heute mit einer neuen kleinen Serie zur ISO 9001 beginnen. Diesmal möchte ich mich mit den Grundsätzen auseinandersetzen, die der 9001 vorangestellt sind und die in der 9000 Norm näher erläutert werden. Zusammenfassend glaube ich, dass man die ISO Normen nicht zwingend braucht, um in Organisationen nachhaltig erfolgreich Qualität zu gestalten. Wenn eine Organisation aber an die ISO 9001 gebunden ist, resultiert daraus nicht unweigerlich ein starres und bürokratisches System. Mit der Norm habe ich mich bereits in verschiedenen Blogbeiträgen auseinandergesetzt, nicht zuletzt im Beitrag vom 13.10.2019. Aus meiner Sicht sind daher nicht die Themen oder Aufgabenstellungen, die die ISO 9001 aufwirft das Problem, sondern die Art und Weise der Umsetzung bzw. die dabei häufig dominanten Glaubenssätze. Auch habe ich versucht, diese in mehreren Artikeln zu identifizieren, zu würdigen und in potentialorientiertere Leitgedanken umzuformulieren.
In der nun folgenden Serie möchte ich die sieben Grundsätze der Norm aufgreifen, reflektieren und in eine potentialorientierte Richtung weiterentwickeln. Dabei geht es mir weniger um ein Entkräften, sondern eher um ein Erweitern. Gemäß meinem Verständnis von QM eignet sich die Norm hervorragend für linear-kausale Ursache-Wirkungszusammenhänge. Je nach Kerngeschäft der Organisation gibt es davon mehr oder weniger. Probleme entstehen, wenn dynamisch-komplexe Prozesse mit den gleichen Instrumenten gesteuert werden sollen. Die ISO 9001 gibt meines Erachtens keine Antworten für den Umgang mit Komplexität und Vieldeutigkeit, was allein schon die Definition des Prozessbegriffes in der Norm ausdrückt: „Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Tätigkeiten, der Eingaben zum Erzielen eine vorgesehenen Ergebnisses verwendet“. Die Offenheit und der große Gestaltungsspielraum, den die Norm durch Vokabeln wie „im erforderlichen Umfang“, „angemessen“ etc. bietet, setzt einer entsprechenden Ausweitung der Norm aber auch nichts entgegen.
In diesem Sinne möchte ich mich in den folgenden sieben Blogbeiträgen jeweils mit einem Grundsatz aus der ISO 9001 in Bild und Wort auseinandersetzen und eine potentialorientierte Erweiterung daneben setzen. Dabei handelt es sich nicht um abgeschlossene Gedankengänge, sondern um Einladungen zum Verfassen von richtungsweisenden Prinzipien für das eigene QM-System. Ich möchte Sie als Leser*innen gerne einladen, diese oder vergleichbare Sätze in Ihre Qualitätspolitik zu integrieren. Eine Qualitätspolitik, die auf bedeutsamen und aussagekräftigen Prinzipien basiert, kann einen wesentlichen Beitrag zur Ausrichtung von QM-Aktivitäten leisten.
Sicherheit und Orientierung sind existentielle menschliche Bedürfnisse. Wenn wir diese bedroht sehen, greifen wir gerne zu einfachen schematischen Herangehensweisen. Nicht selten suggerieren diese doch meistens nur ein geordnetes und vorhersehbares Umfeld. Ein wesentlicher Erkenntnisschritt besteht aus meiner Sicht darin, anzuerkennen, dass die Arbeit mit Menschen, an Menschen und für Menschen immer dynamisch, komplex und unberechenbar ist. Wir müssen Wege finden, wie wir in dynamischen und vielschichtigen Kontexten, die im nächsten Moment schon wieder ganz anders sein können, unsere Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Orientierung erfüllen, ohne unnötige starre Fixierungen und verhärtete Strukturen.
Anstelle von kleinteiligen statischen Regeln können übergeordnete Grundsätze und Prinzipien uns helfen, Dynamiken auf einer Metaebene zu verstehen, ohne sich in Details zu verlieren. Strukturen und Regeln sind eine uns vertraute, wenn auch manchmal irreführende Quelle von Sicherheit und Orientierung. Sie setzen sich wiederholende Standardsituationen voraus, die wir zum einen im Arbeitsalltag oft so nicht vorfinden und für die zum anderen nicht selten ein gemeinsames Verständnis fehlt. Verzichten wir in komplexen Prozessen auf feste Regeln und Prozessabläufe, müssen wir in der Lage sein, Sicherheit und Orientierung in uns selbst und im Dialog mit unseren Kollegen und Teams zu finden. Innere Sicherheit gewinnen wir durch Auseinandersetzung mit Werten, durch die Reflexion unserer Haltung und im Überdenken unserer Kultur der Zusammenarbeit und Kommunikation. Das klassische Qualitätsmanagement bezieht sich auf im „Außen“ wahrnehmbare Strukturen, Prozesse, Regeln und Verhaltensweisen. Das ist nicht falsch – es liefert einen wichtigen Beitrag – es kann und darf aber nicht alleinstehen. Insbesondere in Arbeitsfeldern, die durch Komplexität, Dynamik und Vielschichtigkeit geprägt sind, ist es wichtig, Sicherheit und Orientierung auch aus „inneren Quellen“ zu schöpfen: Aus der persönlichen Haltung und Psyche sowie aus der organisationsbezogenen „Kultur und Kommunikation“. In diesem Sinne möchte ich meine Vorschläge zur Erweiterung der Grundsätze der ISO 9001 gerne verstanden wissen.
Wer sich näher mit dem „Innen“ und „Außen“ auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich das sehr lesenswerte, handlungsorientierte Buch von Joana Breidenbach und Bettina Rollow „New Work needs Inner Work“.

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