Die Grundsätze der ISO 9001 potentialorientiert weiter gedacht Teil 5: Prozessorientierter Ansatz<> Prozesscharakter berücksichtigen
Der große Nutzen des prozessorientierten Ansatzes liegt darin, sich konsequent auf
die Perspektive der Kund*innen einzulassen, die für sie wichtigen Prozesse zu
identifizieren und „alles andere drum herum zu organisieren“. Problematisch wird dieser Ansatz, wenn alle Prozesse mit den gleichen Mitteln und Methoden gemanagt werden. Dazu verführt das Prozessverständnis, das in der ISO hinterlegt ist, und das davon ausgeht, dass Eingaben durch eine Abfolge von sich gegenseitig bedingenden Tätigkeiten in ein vorgesehenes Ergebnis verwandelt werden. Das Problem ist, dass es dieses kohärente System von eindeutig zuordenbaren Ursache-Wirkungsbeziehungen häufig schlicht und ergreifend nicht gibt. Und das hat nichts mit mangelnder Analyse oder Aufbereitung zu tun. Für den Bau eines komplizierten Lego-Modells ist die Bauanleitung ein Segen. Für das Training eines Fußballteams ist ein bisschen Literaturstudium vielleicht auch nicht verkehrt, aber Spielzüge, Spielfreude und Teamgeist lassen sich nicht durch Regeln vermitteln.
DIN EN ISO 9000:2015
Prozessorientierter Ansatz
Beständige und vorhersehbare Ergebnisse werden wirksamer und effizienter erzielt, wenn Tätigkeiten als zusammenhängende Prozesse, die als kohärentes System funktionieren, verstanden, geführt und gesteuert werden.
Genau wie Lego und Fußball zwei völlig unterschiedliche Spiele sind, die unterschiedlich bewältigt bzw. trainiert werden, gibt es in Organisationen auch völlig verschiedene Prozesse, die eine unterschiedliche Steuerung bzw. Ausgestaltung erfordern. Eher linear-kausale Buchführungs- oder Bestellprozesse sind gut vorhersehbar und optimierbar. Der Umgang mit Fehlern oder ein Beratungs-, Lern- oder Rehabilitationsprozess dagegen ist sehr komplex, mehrdeutig und von vielen Wechselwirkungen beeinflusst. Den einen richtigen Weg gibt es hier nicht und ein differenziertes Regelwerk, das alle möglichen Eventualitäten behandelt ist eher hinderlich. Diese Prozesse können nur durch grundsätzliche handlungsleitende Prinzipien und vor allem durch kompetente und engagierte Mitarber*innen gesteuert werden.
Potentialorientierte Qualitätsentwicklung
Prozesscharakter berücksichtigen
Nicht alle Prozesse haben den gleichen Charakter und können mit den gleichen Methoden gemanaget werden. Linear-kausale Prozesse lassen sich gut planen und mit Qualitätskriterien und Kennzahlen steuern. Hochgradig komplexe Prozesse, also solche, in denen der Faktor Mensch eine starke Eigendynamik und viele Wechselwirkungen mit sich bringt, lassen sich kaum vorhersagen und auch nicht durch schriftliche Regelungen beherrschen. Entscheidend ist hier, dass die Organisation in die Kompetenz der Mitarbeiter*innen investiert, so dass diese in der Lage sind, mit Unvorhersehbarkeiten professionell umzugehen.
Den Prozesscharakter berücksichtigen bedeutet, das Prozessverständnis der ISO 9001 zu erweitern oder die damit verbundene Logik auf Prozesse zu beschränken, die auch nach diesem Schema funktionieren.
Den Prozesscharakter berücksichtigen bedeutet, „Best-Practice-Initiativen“ und fixe Kennzahlen-Abgleiche auf vorwiegend linear-kausale Prozesse zu begrenzen.
Den Prozesscharakter berücksichtigen bedeutet, darauf zu verzichten, komplexe Prozesse künstlich zu simplifizieren oder in allen Details zu beschreiben.
Den Prozesscharakter berücksichtigen bedeutet, insbesondere bei komplexen Prozessen in die Kompetenz der Mitarbeiter*innen zu investieren und diese mit den erforderlichen Entscheidungsbefugnissen auszustatten.
Den Prozesscharakter berücksichtigen bedeutet, Mitarbeiter*innen Prinzipien für das Handeln zu geben und gute Reflexionsräume dafür zu schaffen. Auf schematische Konformitätsprüfungen wird verzichtet.
s. auch Blogbeitrag vom 30. Mai 2019: https://www.qualitaet-gestalten.de/2019/05/30/die-meisten-taetigkeiten-in-organisationen-verlaufen-linear-kausal-und-koennen-gut-als-prozess-aufgefasst-und-gesteuert-werden/